Wie man den ersten Kunden gewinnt
Wer mit einem jungen Unternehmen in einer klassischen Branche erfolgreich sein will, tut gut daran, mit Innovationen aufwarten zu können – den ersten großen Kunden zu erobern, ist trotzdem nicht ganz leicht, wie auf einer Veranstaltung im Rahmen der Gründerwoche Deutschland im TCC – Annaberger Straße deutlich wurde.
Die Technologie Centrum Chemnitz GmbH, das südwestsächsische Gründernetzwerk SAXEED, das TUClab und der Förderverein zur Unterstützung von Unternehmertum und Technologietransfer in Südwestsachsen e.V. hatten am 19. November 2019 gemeinsam eingeladen, die Hidden Champions von morgen kennenzulernen. Vier Unternehmen berichteten rund 60 Gästen von den Herausforderungen ihrer Unternehmensgründung – ihnen gemeinsam: Sie alle suchen ihre Kunden in klassischen Branchen – im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilindustrie oder im Bildungssektor zum Beispiel.
So wie die LiGenium GmbH. Das Team um Geschäftsführer Dr. Christoph Alt entwickelt nachhaltige Logistiklösungen aus modernen Holzwerkstoffen. Momentan konzentriert sich das Unternehmen auf fördertechnische Hilfsmittel und Anlagen, bei denen Stahl durch Holzverbundstoffe ersetzt wird. . „Weil sich unsere Produktionsanlage erst ab größeren Stückzahlen rentiert, haben wir von Beginn an geschaut, welche potenziellen größeren Kunden es für uns geben könnte“, berichtete der Geschäftsführer: Fündig wurde man zum Beispiel in der Automobil-Industrie, die aber traditionell gegenüber neuen Lieferanten nicht übermäßig aufgeschlossen ist: „Vom ersten Kontakt dauerte es ein Jahr bis zum ersten Gespräch, ein weiteres Jahr bis zum ersten Projekt und noch einmal ein halbes Jahr, bis wir den ersten Piloten entwickelt haben“, skizziert Alt die langen Vorlaufphasen, um mit technischen Innovationen erfolgreich zu sein. Inzwischen sind die ersten Produkte – neu entwickelte Transportwägen für den innerbetrieblichen Warenfluss in einem Automobilwerk – in Serie gegangen. LiGenium konnte auf sechs Mitarbeiter wachsen, in zwei Jahren will man den Break Even erreichen.
Ins Projekt zu den Transportwägen bezog LiGenium die VRENDEX GmbH mit ein. VRENDEX-Gründer Manuel Dudczig hatte sich aus einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter heraus selbstständig gemacht – mit Virtual Reality- oder 360-Grad-Anwendungen will er die technische Kommunikation verbessern. „Der Weg zum ersten Kunden ist länger, als man zunächst glaubt“, hat er festgestellt. So entwickelte er zunächst eine Reihe von Anwendungen, die angesichts der aufgewendeten Zeit eher zu wenig Geld einspielten. Doch so hatte er die ersten Vorzeige-Modelle – und konnte damit auch LiGenium überzeugen: Gemeinsam konstruierten sie die hölzernen Transportwägen als 3-D-Modell in einer Virtual-Reality-Arbeitsumgebung. „Grundsätzlich lassen sich so Produktentwicklungen, Produktpräsentationen und auch Produktabnahmen beschleunigen – weil man gewünschte Veränderungen am Produkt viel schneller virtuell umsetzen kann und nicht jedes Mal ein neues physisches Modell bauen muss“, erklärt Dudczig. Zugleich müssen auch nicht alle Entscheider gleichzeitig an einem Ort sein – übers Netz können sie alle gleichzeitig auf ein Pilotprodukt schauen und die notwendigen Absprachen treffen.
Die VRENDEX-Technik soll künftig auch bei GoKiwies zum Einsatz kommen. Das Unternehmen von Jan Frömberg vermittelt online Lehrkräfte und digitale Unterrichtsinhalte, aktuell vor allem im Schulbereich: „Mein erster Kunde ist quasi über mich gestolpert – als ich in einem studentischen Nebenjob ein paar Unterrichtsstunden an einer Schule gegeben habe. Ich konnte den Bedarf erfüllen – und weiterer Bedarf wurde an mich herangetragen“, berichtet der Gründer. Schnell war die Idee geboren, das Geschäftsmodell zu digitalisieren, angesichts von jährlich etwa 30 Millionen ausfallenden Unterrichtsstunden ein gutes Konzept: „GoKiwies übernimmt für die Schulen das Qualitätsmanagement – die Schulen können sich einfach zusätzliche Lehrkräfte buchen.“
Ganz so einfach funktionierte es bei TROWIS nicht: Dr. Thorsten Heinze und Peter Streubel entwickelten an der FH Mittweida neuartige Seile aus Plastikfasern. Die sollen einmal Stahlseile in Kränen, Aufzügen oder Schachtförderanlagen ersetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Faserseile sind deutlich leichter – am Ende haben sie bei gleichem Durchmesser noch 15 bis 20 Prozent der Masse vergleichbarer Stahlseile. So könnten letztlich auch die Anlagen, wo sie eingesetzt werden, kleiner werden: „Dass wir gleich das gesamte System revolutionieren, ist aber nicht vorgesehen“; sagt Heinze. Schließlich würde das beim Kunden größere Innovationen erfordern. „Das war ein Punkt, den wir erst lernen mussten“, so Streubel: „Wie wir überhaupt bei Gesprächen mit Partnern Schritt für Schritt herausgefunden haben, was die Vorteile unserer Seile sein könnten.“ Diese Learnings vollzieht das TROWIS-Team inzwischen mit einem strategischen Partner – einer Kranbau-Firma. „Das gibt uns die Möglichkeit, uns auf unsere Entwicklung zu fokussieren – ohne täglich von der Hand in den Mund leben zu müssen“, sagt Heinze.
Diese Sicherheit erarbeiten sich derzeit alle vier präsenten Gründerteams. Dass es auch harte Zeiten im Gründungsprozess gibt, das geben sie alle zu: „Man muss frühzeitig lernen, die eigenen innovativen Problemlösungen als Geschäftsmodell zu denken – und die Leidenschaft dafür muss da sein. Denn die motiviert in der Anfangszeit“, so Christoph Alt. Peter Streubel ergänzt: „Ich habe vor der Unternehmensgründung nicht gewusst, was auf mich zukommt – zum Glück. Gerade anfangs sollte man sich die eigenen Ideen nicht zerdenken.“ Und Jan Frömberg sagt: „Man stellt sich schon immer wieder mal die Frage: Macht man weiter? Aber der Glaube an die eigene Idee trägt durch die Anfangszeit.“ Schnell herausfinden, wer der mögliche Kunde ist, schnell herausfinden, wer beim möglichen Kunden die Entscheidungen trifft – und dann gemeinsam mit dem Kunden die ersten Projekte entwickeln – das sind die Tipps, die die Gründer an diesem Abend gaben, der mit Besuchen in den Produktionshallen von LiGenium und TROWIS und schließlich beim Networken am Buffet ausklang.