Der Stoff, aus dem die Träume sind

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Mit wissenschaftlichen Spitzenleistungen über ein Forschungstransfer-Projekt hin zur Unternehmensgründung und Ansiedlung an einem der Standorte des Technologie Centrum Chemnitz – diesen Weg ist auch das internationale Team der NanoSen GmbH gegangen.

Das Material sieht unscheinbar aus und würde von Laien wohl einfach als „schwarze Gummimatte“ beschrieben werden: schwarz, 15 mal 15 Zentimeter groß, nicht mal einen halben Millimeter dick. „Es ist ein silikonbasiertes Material, in den leitfähige Partikel eingearbeitet sind“, erläutert Rajarajan Ramalingame. Es ist der Stoff, aus dem sind bei der im Januar dieses Jahres gegründeten NanoSen GmbH die Träume. „Wenn man ihn komprimiert, ändert sich die Leitfähigkeit. Damit kann man ihn als sehr sensiblen Kraftsensor einsetzen“, so CEO Ramalingame: Das Polymer, ein Nano-Komposit, sei in der Wissenschaft seit etwa 20 Jahren bekannt, räumt er ein: „Aber uns ist es gelungen, es außerhalb universitärer Labore in größerem Maßstab zu produzieren.“ Eben als schwarze Gummimatten.

Ramalingame kam als Masterstudent aus Indien an die TU Chemnitz. Nach seinem Studienabschluss machte er in der Wissenschaft Karriere, wurde zum Leiter einer Forschungsgruppe an der Professur für Mess- und Sensortechnik der TU. „Wir haben mit unserem Material experimentiert, versucht, es in größeren Mengen herzustellen. Denn ein Produzent fehlt, um das Produkt in Märkte zu bringen.“ Ein EXIST-Forschungstransfer brachte ein vierköpfiges, sehr internationales Team zusammen – neben Ramalingame die Tunesierin Dr. Sonia Bradai aus der Sensortechnik, den Amerikaner Joseph Stephens aus der Betriebswirtschaftslehre und den Erzgebirger Rick Henkner, studierter Maschinenbauer. In anderthalb Jahren wurde eine massentaugliche Maschine entwickelt, mit der man fünf Millionen Sensorpunkte pro Jahr produzieren kann: „Wir sind also im Bereich der Prozessinnovation erfolgreich gewesen“, so Ramalingame. Auf welchem Weg die Gummimatten entstehen, bleibt deshalb Betriebsgeheimnis: „Wir lassen niemanden in unser Labor.“ Auch erste Auswertungselektroniken entstanden – die sich NanoSen patentieren ließ.

Schon in der Vorgründungsphase ging es an erste Kunden. „In der Automobilindustrie, im Chemieanlagenbau, in der Haushaltselektronik, in medizinischen Hilfsmitteln oder auch in Funktionskleidung – überall werden feine Kraft- oder auch Wegsensoren benötigt“, schaltet sich Marketingchef Joseph Stephens ein. Oder auch in der Robotik: „Stellen Sie sich einen Roboter vor, der nach einer halbvollen Plastikflasche greift. Aktuelle Roboter greifen zu, auch wenn die Flasche nachgibt. Unsere Sensoren merken, wenn die Flasche rutscht – da kann der Roboter dann nachgreifen“, erklärt er am Beispiel: „Es geht um sensorisches Feingefühl und die passende Auswertungselektronik.“ Seit März dieses Jahres verkauft NanoSen sein Material, oftmals in ersten Entwickler-Kits, mit denen technische Dienstleister experimentieren können. In Deutschland, Japan, Portugal, Großbritannien oder Kanada testet man das Material bereits: „Etwa 85 Prozent unserer Kunden sind in der industriellen Forschung, etwa 15 Prozent in universitären Forschungseinrichtungen.“

Noch in diesem Sommer soll das erste Produkt für den Endkunden auf den Markt kommen – ein Schuh für Diabetiker mit einer speziellen, von NanoSen bestückten Schuhsohle. „Fehlstellungen beim Stehen oder Laufen können bei Diabetikern zu schlimmen Schäden führen – bis hin zur Amputation“, weiß Stephens. Die Sohle mit dem Sensor-Material aus Chemnitz registriert feinste Verschiebungen in der Kraftverteilung des Fußes – und ermöglicht so frühzeitige Gegenreaktionen. „Es gibt bereits Schuhe für solche Anwendungsfälle – allerdings kosten sie pro Paar einen fünfstelligen Betrag. Mit unserem Material kann man den Preis auf 500 Euro bringen. Das eröffnet eine deutlich größere Zielgruppe“, sagt Stephens. Ähnliche und auch ganz andere Anwendungsfälle kann er sich in vielen Bereichen vorstellen: „Sobald wir ein paar Minuten zusammensitzen, sprudeln die Ideen“, sagt der Amerikaner. „Aber eigentlich wollen wir diese Ideenfindung unseren Kunden überlassen – und uns auf die Materialherstellung und den Verkauf fokussieren.“

Ausreichend Arbeit liegt auch in diesem Bereich noch vor dem Team, das neben Vertriebs- auch erste Wettbewerbserfolge erzielen konnte. Aktuell ist es unter den letzten zehn Kandidaten für den sächsischen Gründerpreis FutureSAX, der im Sommer vergeben wird. Im vergangenen Herbst gewann NanoSen einen Platz im TUClab der TU Chemnitz. Der Preis stärkte noch einmal die Verbindung zum „Start up“-Gebäude der Technologie Centrum Chemnitz GmbH, wo NanoSen bereits erste Flächen angemietet hatte. „Wir haben zwei Büros und eine Laborhalle, dazu die Möglichkeit, für Besprechungen das TUClab zu nutzen – das ist für uns ideal“, sagt Joseph Stephens. „Die Infrastruktur ist super, das Preis-Leistungs-Verhältnis perfekt – und die Einbindung in die Netzwerke des TCC ist unschlagbar.“ Auch die Förderlandschaft in Sachsen sei sehr gut ausgebaut und passe für sie. Nicht nur deshalb sehen Ramalingame und Stephens trotz eigener Wurzeln ganz woanders NanoSen auf lange Sicht in Chemnitz. „In unsere Heimatländer kehren wir dauerhaft vielleicht zurück, wenn wir in Rente sind“, sagt Ramalingame. Bis es soweit ist, will das Unternehmen organisch, das heißt vor allem aus den eigenen Umsätzen heraus, wachsen. „Spätestens 2026 brauchen wir sicherlich mindestens zwei weitere Ingenieure und weitere Vertriebsmitarbeiter“, ist Stephens sicher.

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"Start up"-Gründerzentrum
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09126 Chemnitz